Arbeitsplatzzuwachs durch die Erweiterung des Schlachthofes Tönnies in Weißenfels?

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Nach intensiver Recherche des Arbeitskräfteaspektes wurde uns folgendes Bild vermittelt:

Der massive Ausbau folgt dem Trend der Rationalisierung, Automatisierung und Konzentration, welcher ein Drittel aller Arbeitsplätze in der europäischen Fleischindustrie in Kürze verschwinden lässt (Bruhns, 2006). Dabei kommen derartigen Fleischfabriken noch Milliardenhilfen aus EU Agrarprogrammen zugute (ebd.), oder werden durch öffentliche Landes- und Stadtmittel, wie in Weißenfels, noch großzügig unterstützt.

Es ist zu befürchten, dass diese stark subventionierten Arbeitsplätze am Ende mit ausländischen Arbeitern besetzt werden. Tönnies unterstreicht diese Entwicklung mit der Aussage, dass die letzte Erweiterungsstufe in Weißenfels „ohne die ausländischen Arbeitskräfte nicht zu schaffen gewesen“ (mz-web.de) war. Somit ist eine Zunahme von bereits „[…] 200 Fremdarbeitern […]“ (Richter, 2005) bei einer Verdreifachung der Produktion absehbar, eine Entspannung der regionalen Arbeitsmarktsituation nicht realistisch. Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) wurden durch ausländische Arbeitskräfte auf Niedriglohnbasis in der Schlacht- und Zerlegeindustrie in den letzten Jahren in ganz Deutschland ca. 28.000 einheimische Arbeitsplätze vernichtet.

Der Stern schreibt: Um die Kosten zu drücken, treten […] Subunternehmer als Vermittler für Firmen aus Billiglohnländern auf. Bei Europas größtem Schweineschlachter Tönnies kommen nach Unternehmensangaben von 4900 Arbeitnehmern 2050 über Werkverträge aus Osteuropa - eine Zahl, die Gewerkschafter für untertrieben halten.“

Mit großer Bestürzung fand die Bürgerinitiative bei der Internetrecherche in wikipedia folgende Aussage: „In den Betrieben der Firma Tönnies arbeiten nach Angaben der Gewerkschaft NGG lediglich ca. 7% eigene Arbeitnehmer. Das Fremdpersonal besteht zu ca. 60% aus osteuropäischen Arbeitnehmern. […] Der hohe Anteil von Niedriglohn-Beschäftigten hat die Firma Tönnies in das Rampenlicht der politischen Diskussion gerückt. Darüber hinaus hat die Beschäftigungspolitik des Unternehmens - nicht zuletzt wegen nachbarlicher Konflikte mit den in Sammelunterkünften untergebrachten Arbeitern - am Standort Rheda-Wiedenbrück zu lokaler Kritik geführt“.

Der Stern kommentiert weiter: „Wenig Hoffnung also für die 15.088 Fleischer, die schon jetzt in Deutschland arbeitslos gemeldet sind. […] Clemens Tönnies […] behauptet allen Ernstes, er würde gern mehr einheimische Arbeiter einstellen. Aber: ‚Trotz intensiver Bemühungen auch mit der Bundesagentur für Arbeit gelang es nicht, unseren Bedarf an Fachkräften auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu decken.’"

Konzentration, Kooperationen und Fusionen führen in der Schlachtbranche zu einem noch stärkerem Preisdruck und Verdrängungswettbewerb. Im Ergebnis bleiben einige wenige Mega-Schlachthöfe (Ulm, Weißenfels) übrig, während andere Schlachthöfe reihenweise geschlossen werden und deren regionale Arbeitsplätze für immer verloren gehen (Kalkar, Lübeck, Anklam, Rodleben etc.). Da die stark automatisierten Mega-Schlachter nun zunehmend auch in das Geschäft der Weiterverarbeitung einsteigen, werden sie zu Wettbewerbern ihrer eigenen Kunden und gefährden weitere Unternehmen und deren Arbeitsplätze. In dieses Bild passt die angekündigte und auf Ende 2007 verschobene Schließung der Fleischwaren GmbH in Wethau. 140 Arbeitsplätze sind allein hier, 12 km von Weißenfels entfernt, betroffen!

Der von den Megastrukturen ausgehende hohe Preisdruck auf lokale Erzeuger und Landwirte führt damit zu weiteren Einkommens- und regionalen Arbeitsplatzverlusten. Kleinere und mittlere sowie vor- bzw. nachgelagerte gewerbliche Unternehmen im Landwirtschaftssektor sind besonders gefährdet.

Martin Huber, Agrarökonom resümiert: „Wenn der Steuerzahler erfahren würde, dass mit seinem Geld industrielle Schweinefleischerzeugung organisiert wird, dann gäbe es sicherlich einen großen Aufschrei.“ (Bruhns, 2006) 

 


Quelle:

Bruhns, Annett u. a. (2006): Geld für die Großen. In: Spiegel, Nr. 23, S. 28-34, Hamburg.

Gewerkschaft Nahrungs-Genuss-Gaststätten (NGG) (2005): Branchenbericht 2004 einschl. 1.Halbjahr 2005 der Schlacht- und Fleischverarbeitungsbranche.

Richter, Andreas (07.12.2005): "Gewaltiger Baukörper“ stößt auf Skepsis. In: Mitteldeutsche Zeitung, WSF/HMN.

http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/538042.html?nv=ct_cb am 11.06.2006

http://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6nnies_Fleischwerk am 20.04.2006

 

 

Gesamtfassung:

offener Brief "Arbeitsplatzzuwachs durch die Erweiterung des Schlachthofes Tönnies?" (pdf 128 KB)